Die Gezeichneten

Regie: Carl Theodor Dreyer, Deutschland, 1922

Deutschland, 1922


Stab und Besetzung

Produktion Primus-Film GmbH., Berlin
Regisseur Carl Theodor Dreyer
Drehbuch Carl Theodor Dreyer
Story Aage Madelung [Roman oder Erzählung]
Kamera Aage Madelung
Architekt Jens G. Lind
Darsteller Polina Piechowska [Hanna]
Vladimir Gajdarov [Jakov]
Johannes Meyer [Rylowitsch]
Johannes Meyer [Sascha]
Richard Boleslawski [Gavrik]
Ivan Bulatov [Bauer]
Hugo Döblin [Abraham]
Friedrich Kühne
Elisabeth Pinajeff
Adele Reuter-Eichberg [Frau Segal]
Adele Reuter-Eichberg [Zipe]
Adele Reuter-Eichberg [Suchowerski]
Adele Reuter-Eichberg
Emmy Wyda

Technische Angaben
Technische Info: Format: 35 mm - Schwarz-Weiss Film,
Tonsystem: silent
Premiere: 7. Februar 1922 in Kopenhagen

Inhaltsangabe
Auf dem Land kündigt sich bereits der historische Umbruch an, aber noch herrschen tief sitzende Ressentiments innerhalb der Bevölkerung, insbesondere gegen die jüdische Minderheit. So verlässt die junge Jüdin Hanne-Liebe Segal ihr Heimatdorf und hofft, bei ihrem Bruder Jakow in Sankt Petersburg unterzukommen; er ist zum Christentum konvertiert, um in der Stadt als Anwalt arbeiten zu können.
Hanne-Liebe trifft ihren alten Freund Sascha wieder, der sich einer revolutionären Gruppe angeschlossen hat. Zu dieser gehört der undurchsichtige Rylowitsch, der seine Genossen an die russischen Behörden verrät und als Wandermönch antisemitische Hetze betreibt. In Hannes Heimatdorf löst Rylowitsch ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung aus, unterstützt von Fedja, Hanne-Liebes Spielkameraden aus ihrer Kinderzeit.
Hanne-Liebe und Jakow geraten mitten in die gewaltsamen Ausschreitungen, als sie in ihr Dorf kommen, da ihre Mutter im Sterben liegt. Jakow wird von Rylowitsch erschossen, Hanne-Liebe wird in letzter Sekunde von Sascha gerettet. (ARTE Presse)

Kritiken : "Der Primus-Palast, Potsdamer Str. 19, wurde gestern abend vor geladenem Publikum mit "Die Gezeichneten" (nach dem gleichnamigen Roman von Aage Madelung, Manuskript und Regie: Carl Th. Dreyer) eröffnet, nachdem Kurt Gerron einen von Dr. Leo Leipziger verfaßten Prolog vorgetragen hatte. Das Problem dieses Films ist ein uraltes, doch ewig neues: der Kampf zweier Rassen, hier der jüdischen und der russischen. Vielleicht ist es auch richtiger, angesichts der unproportionierten Kräfteverhältnisse, von dem Schicksal der einen und der anderen zu sprechen. Bei diesem durch Fanatismus mancherlei Art scharf gemachten Daseins- und Vernichtungskampf entfalten sich alle niedrigen sowohl wie alle höheren Triebe der Menschen, die letzten Vorhänge vor den Urinstinkten, den grauenhaften und erhabenen, werden aufgegriffen.

An Einzelschicksalen erweist sich auch die für ein ganzes Volk grundlegende Wahrheit: Es ist not, sich selber treu zu bleiben, seinem Glauben, seinem Wesen, seinem Sinn. Untreue führt zum Untergang, Treue triumphiert zuletzt über eine Welt von Teufeln und Viehnaturen. Dies offenbart sich deutlich an dem Schicksal der beiden Personen, die im Mittelpunkt der Handlung stehen. Der Advokat Segal, der dem Glauben seiner Väter untreu geworden, findet seinen Tod, Hanne-Liebe, seine Schwester, die seelisch Ergriffene, die tapfer Kämpfende, wird aus den Schrecken des Pogroms gerettet, durch ihren Geliebten. Die zarte Geschichte dieser beiden Liebenden, gestickt auf den gewaltigen, dräuenden Hintergrund eines trüben Volksschicksals, bildet denn auch, von Nebenhandlungen und Episoden abgesehen, die Fabel des Stückes. Das war genug, um einer gewandten und einfallsreichen Regie Gelegenheit zur Entfaltung fesselnder und ergreifender Bilder zu geben. Mit großer Liebe und Sorgfalt sind die einzelnen Szenen durchkomponiert, auf ihre photographische und seelische Wirkung berechnet. Vor allen Dingen macht Milieu und Ausstattung den Eindruck des Echten. Von verträumten Landschaftsbildern und Liebesszenen der Revolutionäre und schließlich, als dramatischen Höhepunkt, der aufwühlenden Blutrunst eines Pogroms zugeführt. Fast zu reichlich ist die Szenefolge, und hier müssen wir – wir dürfen es angesichts des großen Aktivkontos dieses Films – betonen, daß uns stellenweise etwas zu viel Titel vorhanden schienen, die einzelnen Szenen zuweilen zu kurz waren und die Bilder zu schnell abgeblendet wurden. Gerade die Schönheit der meisten Szenen rief den Wunsch wach, sie genügend lang, auch bis zur Aufnahme der Einzelheiten im Auge zu halten. – Das Spiel der Darsteller war fein abgestimmt, dezent, ohne Überbetonung, und vergriff sich kaum je in einer Nuance. Hervor ragen als Träger der Hauptrollen die Darsteller des Rechtsanwalts Segal (Wladimir Gaidarow, Stanislawskys Künstler-Theater, Moskau), der Hanne-Liebe (Gräfin Piechowska, Korsha-Theater, Moskau), des Studenten Sacha (Thorleif Reiss, National-Theater, Kristiania), des Fedja (Richard Boleslawski, Stanislawksys Künstler-Theater, Moskau). Eigentlich müßten wir alle nennen, denn alle brachten in hingebendem Spiel ihren Part zu lebenswirklicher Darstellung." (Film-Kurier, Nr. 44, vom 24. 2.1922)
Anmerkungen : «"Die Gezeichneten" entstand in Dreyers früher Schaffensphase, es war einer der ersten Filme, den er außerhalb Dänemarks schuf. Gedreht wurde in der Nähe von Berlin. In Groß Lichterfelde Ost entstand eine Film-Stadt, die aus 25 verschiedenen Bauten bestand; mit einer Kommandatur, einer Synagoge und einer russischen Kirche wurden ein veritables Russen- und Judenviertel nachgebaut. Trotz offensichtlicher und von Dreyer immer wieder beklagter logistischer Schwierigkeiten beeindruckt der Film noch heute durch seine authentisch wirkenden Szenen des russischen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie sie bis dahin kaum in einem Film zu sehen waren.
Authentizität bekam der Film auch durch die Mitwirkung prominenter Schauspieler aus dem damaligen Russland, wie Polina Piekowskaja (Korsha-Theater, Moskau) oder Vladimir Gajdarov (Künstlertheater Moskau). Für die Massenszenen wurden russische und jüdische Komparsen aus Berlin und Umgebung engagiert, oft Flüchtlinge, von denen noch keiner vor einer Kamera gestanden hatte. Dreyer verdichtet die Geschichte in kammerspielhaften Tableaus und erzählt von den Erschütterungen zu Beginn der Moderne, vom Zusammenbruch der alten Welt und den damit einhergehenden Identitätskrisen.» (ARTE Presse)

"Verlangen und Ehrgeiz, Revolution und Pogrome gegen die Juden im russischen Reich kurz nach der letzten Jahrhundert wende. DIE GEZEICHNETEN war einer von zwei Filmen, die Dreyer in den zwanziger Jahren in Deutschland gedreht hatte. Beeindruckend sind die umfangreichen Bauten, die detailgetreue Ausstattung und vor allem die Massenszenen, für die der Regisseur 600 russische Juden verpflichtete. »Wladimir Matusewitsch, der in Moskau diesen jahrelang verschollen geglaubten Film wieder gefunden hat, versichert, Dreyer habe es besser als die russischen Filmemacher verstanden, das Alltagsleben in Rußland mit Wahrheit und Authentizität zu evozieren.« (Jean Sémolué) Filmmuseum München

General Information

Die Gezeichneten is a motion picture produced in the year 1922 as a Deutschland production. The Film was directed by Carl Theodor Dreyer, with Polina Piechowska, Vladimir Gajdarov, Johannes Meyer, , Richard Boleslawski, in the leading parts.

Literatur Hinweise - Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933, hg von Günther Dahlke und Günther Karl, Berlin 1988, pg 64f
- Giornate del Cinema Muto Pordenone 2009, Katalog

Referenzen zum Film in anderen Datenbanken:

    Unter anderem wurde der Film bei folgenden Filmfestivals aufgeführt:

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