Pordenone Filmfestival 2011 - KinoTV


Text?Chertovo koleso (Das Teufelsrad), Regie: Leonid Trauberg,UdSSR - Sowjet Union - 1926
Produktion: FEKS-Film - Leningradkino - Regisseur: Leonid Trauberg - Grigorij Kozintsev - Regieassistent: Boris Shpis - Drehbuch: Adrian Pjotrovskij - Story : Venjamin Kavernin - Kamera: Andrej Nikolajevich Moskvin - Architekt: Jevgenij Jeneij - Darsteller: Sergeij Martinson Dirigent - Janina Zhejmo - Pjotr Sobolevskij Vanja Shorin - Andrej Kostrichkin - Sergej Gerasimov Fragezeichen - Emil Gal Koko - N Foregger - Ljudmila Semjonova Valja -

Text?Novij Vavilon (Das neue Babylon, Kampf um Paris), Regie: Leonid Trauberg,UdSSR - Sowjet Union - 1929
Produktion: FEKS-Film - Sovkino Leningrad - Regisseur: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Drehbuch: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Nach einer Vorlage von: Emile Zola (Au bonheur des dames, La débùcle, Nana) - Kamera: Andrej Nikolajevich Moskvin - Jevgenij Mikhailov - Musik: Dmitrij Shostakovich - Architekt: Jevgenij Jenej - Darsteller: Oleg Zhakov Junger Communarde - Boris Azarov Soldat - Aleksandr Orlov Menelaus in der Operette - Arnold Arnold Der Abgeordnete - S Gusev Der alte Poirier, Louises Vater, Schuhmacher - Emil Gal - Natalja Rashevskaja WÀscherin - Ida Penzo - N Roshefor Soldat der Nationalgarde - Boris Feodosjev Offizier - Boris Poslavskij Offizier - Roman Rubinshtein Paris in der Operette - Anna Zarzhitskaja MÀdchen auf der Barrikade - Andrej Kostrichkin Verkaufsleiter im Neuen Babylon - Jevgenij Chervjakov Soldat der Nationalgarde - A Glushkova Prachka, WÀscherin - Janina Zhejmo Teresa, Modistin - Sergej Gerasimov Lutrau, der Journalist - Sofija Magarill Schauspielerin - Ljudmila Semjonova Kokette mit dem Monokel - Pjotr Sobolevskij Jean, der Soldat - Vsevolod Pudovkin der VerkÀufer - Tamara Fedorovna Makarova Can-Can TÀnzerin - Jelena Kuzmina Louisa Poirier, VerkÀuferin - David Gutman Der Chef des Kaufhauses 'das Neue Babylon' -
Inhaltsangabe : Vor dem Hintergrund der Niederschlagung der Pariser Commune 1871 wird die Geschichte von Louise und Jean erzÀhlt, deren Liebe in Zeiten des offen ausgetragenen Klassenkampfes keine Chance hat. Louise, VerkÀuferin im Kaufhaus "Das Neue Babylon" ist engagierte Kommunardin, Jean, ein politisch unbedarfter junger Mann vom Lande, steht als Soldat im Dienst der französischen Armee und ist gezwungen, die Commune zu bekÀmpfen. Wo finden die beiden Liebenden ihren Platz in dieser politischen Auseinandersetzung? (arte Presse)
Anmerkungen: Hintergrundinformationen:
Hintergrund der Filmhandlung ist die Niederschlagung der Pariser Commune von 1871 nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen. WĂ€hrend ihrer nur 72 Tage wĂ€hrenden Existenz hatte sich die Commune bemĂŒht, mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Massnahmen die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern.
Die Pariser Commune gehört - dank eines Essays von Karl Marx - zu den Mythen der Bolschewiki und galt als VorlĂ€uferin der Oktober-Revolution. So ist es nicht verwunderlich, dass die avantgardistischen Filmregisseure Grigori Kosinzew (1905-1973) und Leonid Trauberg (1902-1990) einen Film darĂŒber drehen. "Das neue Babylon" gehört zu den Klassikern der russisch-sowjetischen Filmgeschichte. Die Premiere von Film und Musik am 1929 allerdings endet in einem Fiasko: Orchester und Publikum sind ĂŒberfordert vom experimentellen Charakter des Films.
In der Tat lebt "Das neue Babylon" von seinem furiosen Tempo und der karikaturistischen Überzeichnung: das Leben der sorglosen Bourgeoisie wird als ein grosses Cabaret in dicht komponierten Tableaus inszeniert. Kameramann Andrej Moskwin rekonstruiert die Offenbach-AtmosphĂ€re des Pariser Lebens und das Zola-Klima der Arbeiter-Vororte.
Besonders auffallend ist die radikale Montage des Films, die entfremdend und verzerrend wirkt. Das Regie-Duo entwickelt so eine einzigartige FilmĂ€sthetik, die immer wieder in die Kritik gerĂ€t. Der Film wird vor seiner AuffĂŒhrung von der Zensur erfasst, die das Werk grundlegend verĂ€ndert: aus einem Liebesmelodram wird ein melodramatischer Historienfilm, fĂŒr manche westlichen Rezensenten ein Propagandafilm - das westliche Publikum reagiert nicht wach genug auf den Subtext und die versteckten Anspielungen auf die politische Situation. (ARTE Presse)

Die 2011 in Pordenone mit der Musik von Shostakovich gezeigte Version, die der Kopie des Gosfilmofonds entspricht, hat eine LĂ€nge von 2091 m und eine Projektionsdauer von 92 Minuten bei 20 Bildern pro Sekunde.

Text?Odna (Allein), Regie: Leonid Trauberg,UdSSR - Sowjet Union - 1931
Produktion: Sojuzkino - Verleih: Freunde der Deutschen Kinemathek - Regisseur: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Regieassistent: Sergej Gerasimov - Drehbuch: Leonid Trauberg - Kamera: Andrej Nikolajevich Moskvin - Musik: Dmitrij Shostakovich - Architekt: Jevgenij Jeneij - Darsteller: Sergej Gerasimov Dorfsovjet - Jelena Kuzmina Jelena - Pjotr Sobolevskij Petja - Marija Babanova Frau des Dorfsovjet - Liu-Sian Van ein reicher Kulak - Janina Zhejmo eine junge Frau - Boris Chirkov Telefonierender -
Inhaltsangabe : Das Leben der jungen Lehrerin Jelena Kusmina könnte so schön sein in Leningrad, wĂ€re sie nicht unerwartet ins ferne Altai-Gebirge abberufen, um dort den Kindern Lesen und Schreiben beizubringen. ZunĂ€chst protestiert sie gegen diesen Einsatz, tritt dann aber ihren Schuldienst bei den SchafzĂŒchtern im Altai an. Jelena ist schnell bei den Kindern beliebt, nicht aber bei dem alten Bay, der zusammen mit dem korrupten Dorfsowjet illegalen Viehhandel im Dorf betreibt. Als Jelena droht, die Machenschaften der beiden MĂ€nner aufzudecken, wird sie Opfer einer Intrige des alten Bay und im Schnee ausgesetzt. Fast wĂ€re sie erfroren, hĂ€tten die Dorfbewohner sie nicht nach langer Suche gefunden. Es kommt zum Aufstand. Die Hirten setzen den Dorfsowjet ab und organisieren ein Flugzeug, das Jelena in ein Krankenhaus bringt. Sie verspricht zurĂŒckzukommen, die Hirten winken dem Flugzeug dankbar hinterher. (arte Presse)
Kritiken : "Nach ihrem Abschluss an der UniversitĂ€t hat Jelena grosse PlĂ€ne: Als Lehrerin will die junge Leningraderin den Kindern ihrer Stadt jene Bildung angedeihen lassen, die das Sowjet-Reich stark und erfolgreich machen soll. Auch ihre eigene Zukunft hat sie geplant, denn nicht nur ihr Freund will schon lange eine Familie grĂŒnden. Doch die FunktionĂ€re haben anders ĂŒber Jelenas Karriere entschieden: Als ledige Lehrerin soll sie ins tausende Kilometer entfernte Altai-Gebirge versetzt werden, um dort den Kindern der ZiegenzĂŒchter lesen und schreiben beizubringen. FĂŒr Jelena bricht eine Welt zusammen. Doch dann zerreisst sie den erwirkten Einspruch, denn schliesslich haben auch die Dorfbewohner einen Anspruch auf Bildung, und sie selbst will die Letzte sein, die dem System im Wege steht. Also vertröstet sie ihren Freund und macht sich auf die lange Reise nach Sibirien.

Grigori Kosinzews und Leonid Traubergs Drama aus dem Jahr 1931 ist die politisch höchst engagierte Fiktionalisierung eines zeitgenössischen Zeitungsartikels ĂŒber eine Lehrerin, die halb erfroren im Schnee gefunden wurde und nur dank einer beherzten Rettungsaktion mit einem Flugzeug ĂŒberleben konnte. Um diesen „Actionplot“ spinnt Co-Regisseur und Drehbuchautor Leonid Trauberg die Geschichte einer engagierten Frau, deren naiver Glaube an das System desillusioniert wird. Inmitten der mĂ€chtigen und einsamen GebirgszĂŒge des Altai erkennt sie, dass die politischen Utopien der grossen StĂ€dte hier anders interpretiert werden. Als Fremdkörper muss sie nicht nur um Anerkennung und Freundschaft kĂ€mpfen, sondern auch einsehen, dass das Gemeinwohl hier nicht die Motivation der „Machthaber“ ist. Der trĂ€ge Dorfsowjet macht mit dem reichen Grundbesitzer Bay gemeinsame Sache, wenn es um die Ausbeutung der besitz- und rechtlosen Landbevölkerung geht. Jelena sieht zunĂ€chst machtlos zu, wie die Kinder aus ihrer Klasse zum ZiegenhĂŒten abkommandiert werden. Als aber Bay die Ziegenherde – gleichsam Arbeits- und Lebensgrundlage des Dorfes – als Schlachtgut zugesprochen wird, begehrt sie zum Wohle der Bauern auf und erfĂ€hrt erstmals UnterstĂŒtzung. Doch die Beseitigung der „AufsĂ€ssigen“ wird in den Reihen des Kulak bereits geplant: Jelena soll im ewigen Schnee der Berge erfrieren. Ausgerechnet der dramatische Höhepunkt, der Überlebenskampf der in den Bergen ausgesetzten Jelena, ist jene Passage, die auch nach der aufwĂ€ndigen Rekonstruktion des Films durch das russische Filmarchiv 1966 bislang als verschollen gilt.

Dem Drehbuch entnommene Texttafeln geben an Stelle der Bilder wider, was der Showdown des Dramas hĂ€tte sein sollen. Dass „Odna“ in dieser Phase nie an Spannung verliert, liegt an der 2003 vollendeten ErgĂ€nzung: die bis auf wenige Takte wieder hergestellte Originalmusik Dimitri Schostakowitschs, die als narratives und emotionales Handlungselement die Geschichte parallel zu den Bildern erzĂ€hlt und Einsamkeit, Verzweiflung und KĂ€lte in einen aufbrausenden Korpus von Streichern und BlĂ€sern ĂŒbertrĂ€gt. 14 Jahre bevor Miklos Rozsa mit dem Theremin „Ich kĂ€mpfe um dich“ (fd 1647) in eine albtraumhafte Stimmung tauchte, benutzte Schostakowitsch die irisierenden Modulationen des elektro-magnetischen Kondensators, um die Unwirklichkeit der Situation deutlich zu machen. Der Komponist schrieb bis kurz vor seinem Tod neben klassischen Konzerten und Opern mehr als 30 Filmmusiken und betrachtete zeitlebens die Arbeit fĂŒr den Film als eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, um damit an wirklich wichtigen Werken zu arbeiten. Dass er dennoch an seinen „minderwertigen“ Notaten Gefallen fand, beweisen viele Motive, die aus den Filmpartituren in seine „E“-Musik Einzug gehalten haben. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Musikwissenschaftlern die VervollstĂ€ndigung der nur noch fragmentarisch ĂŒberlieferten Partitur gelang.

Zwar gelten die Musiken zu „Die Stechfliege“ (1955) oder „King Lear“ (1969) nach wie vor als Schostakowitschs prĂ€gnanteste Filmwerke, doch die Musik fĂŒr „Odna“ hat einige einzigartige Passagen, die dem zunĂ€chst als Stummfilm konzipierten, dann mit Tonpassagen „aufgewerteten“ Film unvergessliche Augenblicke verleihen. Es sind weniger die burlesken Arien, die grossstĂ€dtische Idylle vorgaukeln, oder die sentimentalen Hymnen an die Vergangenheit, als vielmehr die zurĂŒckgenommenen Harmoniesoli – die pastoralen HintergrĂŒnde fĂŒr die öden Steppen des Altai-Gebirges und seiner Bewohner. Wenn Jelena, eingeleitet durch archaische ObertongesĂ€nge, an ihrem Bestimmungsort ankommt, nacheinander ĂŒber Minuten hinweg das Fagott und die Klarinette in elegischer Monotonie die Szenerie begleiten und sie schliesslich, unter einer aufgespiessten Pferdemumie stehend, ein fatales „Allein!“ verinnerlicht, dann manifestiert sich hier ein grossartiger Moment Film(musik)geschichte." (Jörg Gehrle, Quelle: film-dienst Nr. 23 vom 11. November 2004)
Anmerkungen: * Entstehung des Films

ODNA liegt ein Zeitungsartikel einer spektakulĂ€ren Rettung einer Dorflehrerin zugrunde, die sich im Schnee verirrt hatte und die auf Veranlassung der Regierung mit einem Flugzeug ins Krankenhaus transportiert wurde. Diese Geschichte war die Basis fĂŒr Kosinzews & Traubergs Szenario voll aktueller politischer Themen Ende der zwanziger Jahre in der Sowjetunion: die Bildungskampagne in den entlegenden Regionen, die Modernisierung des tĂ€glichen Lebens, sowie der Kampf gegen die Kulaken, die als Klassenfeinde galten und jahrelang Opfer blutiger SĂ€uberungsaktionen wurden. Mit dem ersten FĂŒnfjahresplan (1928-1932) sollte gerade in den unterentwickelten Regionen der Föderation eine neue Welt erschaffen werden mithilfe von ElektrizitĂ€t, Bildung, Gesundheits-fĂŒrsorge und organisierten ArbeitseinsĂ€tzen. Die Filmproduktion hatte diese Aufbauarbeit konstruktiv zu begleiten.

Der Film entstand in Leningrad und im Altaigebirge, viertausend Kilometer sĂŒdöstlich von Leningrad. Die Bewohner der Siedlung, in der gefilmt wurde, spielen ihr Leben inmitten ihrer natĂŒrlichen Umgebung und mit ihren kultischen Traditionen, so daß der Film an sich schon ein hochinteressantes ethnographisches Dokument darstellt. Kosinzew & Trauberg strebten nach grĂ¶ĂŸtmöglichem Verismus, drehten an OriginalschauplĂ€tzen und ließen die Hauptdarstellerin unter ihrem realen Namen Jelena Alexandrowna Kusmina auftreten. Mit ihr stand eine der grĂ¶ĂŸten Schauspielerinnen des sowjetrussischen Kinos der 20er und 30er Jahre vor der Kamera; sie wirkte schon in Das neue Babylon (1929) an der Seite ihres Mannes Pjotr Sobolowski (1904-1977) mit.


* Subversiver Kinoerfolg

Über seine Protogonistin sagt Gregori Kosinzew: „ Der Mensch, der sich gegen Gewalt erhob, war immer unser Held. In ODNA bemĂŒhten wir uns, den Edelmut in der Arbeit eines Lehrers zu zeigen, den Widerwillen, sich mit dem jahrhundertealten Winterschlaf abzufinden. Wir waren diesem unscheinbaren MĂ€dchen in Filzstiefeln und dem unkleidsamen Bauerntuch unendlich zugetan, dieser Dorflehrerin, die das Recht der Kinder auf Licht und WĂ€rme verteidigte. Dieses ungewöhnliche MĂ€dchen erschien als die wahre Heldin, als ein Mensch der neuen Gesellschaft.“

Der Film war nach seinem Kinostart im Jahre 1931 international ein großer Erfolg und lief auch in den USA. Mitte der 30er Jahre wurde er aus dem Verleih genommen. ODNA fiel unter das Verdikt des Kulturpessimismus genau in den Jahren, als Stalin seinen Vernichtungskampf gegen die politische und gesellschaftliche Opposition einem ersten verheerenden Höhepunkt zufĂŒhrte. Den Regisseuren wurde ‚Defaitismus‘ vorgeworfen und die ‚leidenschaftliche Vorliebe fĂŒr Dramatik‘. Unzweifelhaft weicht ein Film wie ODNA von der Linie der Sowjetideologie ab – nicht nur darin, daß er den Dorfsowjet als korrupte Gestalt darstellt, sondern auch in der Hinsicht, als er eine junge engagierte Frau isoliert in einer feindseligen Umgebung zeigt und von ihrer inneren Befindlichkeit erzĂ€hlt.

Schon der Filmtitel ist Programm: ODNA – ALLEIN – verweigert jede Idealisierung des Alltags im Sozialismus, sondern wirft einen skeptischen Blick in die inneren Mechanismen der neuen Gesellschaft. Das Publikum konnte sich mit Jelena identifizieren, schon zu Beginn des Films, wenn sie sich weigert, dem Einsatz-Befehl im Altai nachzukommen. Sofort wird sie im Volkskommissariat als unzuverlĂ€ssiges Individuum aussortiert. Ihre Vorgesetzte ist unzweideutig nach Lenins Witwe Nadeschda Krupskaja (1869-1939) modelliert. Die Zuschauer sehen lediglich den Hinterkopf dieser Frau, mit einem Knoten im Haar: der totalitĂ€re Staat hat kein Gesicht, wohingegen Jelenas Gesichts fortwĂ€hrend in Großaufnahme zu sehen ist.

* Die Musik zum Film: Schostakowitsch op. 26

FĂŒr diesen unorthodoxen Film (gedreht 1930 als Stummfilm) entstand eine ebenso außer-gewöhnliche Musik mit einem raffinierten Instrumentarium: Schostakowitsch schrieb fĂŒr grosses Orchester und SĂ€nger, Obertongesang, Orgel und Theremin, ein elektro-magnetisches Instrument, das hier zum ersten Mal bei einem Film eingesetzt wird. Die Partitur bestand aus 44 einzelnen StĂŒcken, wie eine Oper aus dem achtzehnten Jahrhundert. Das Tenorsolo „Kakaja goroschoja / Was werden wir glĂŒcklich sein!“ wurde bekannt und durchzieht wie ein ironisches Leitmotiv den ganzen Film. Schostakowitsch hatte die Partitur bereits vollendet, als ODNA zum Tonfilm und ‚klingenden Stummfilm‘ umgearbeitet wurde. Zu Schostakowitschs Musik trat eine nicht uninteressante Montage bruitistischer GerĂ€usche, die vor allem den Alltag in der pulsierender Metropole Leningrad illustrieren, und eingesprochener Textpassagen, die sehr eindrucksvoll die kollektive Disziplinierung vorfĂŒhren. Musik und GerĂ€usche kommentieren die Handlung, quasi als eine Stimme des Autors. FĂŒr dieses neue Ton-Konzept mußte Schostakowitsch nahezu alle StĂŒcke verĂ€ndern. Aufgenommen wurde die Musik fĂŒr die ĂŒberlieferte Tonfilm-Fassung 1931 unter der Leitung von Dirigent Nikolai Rabinowitsch.


* Zerstört & restauriert

Ob es nun den damaligen Aufnahmebedingungen zuzuschreiben ist, oder der verlustreichen Über- lieferung des Films, dessen gesamte Original-Negative bei der Belagerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht verbrannt sind – der ĂŒberlieferte Ton vermittelt kaum einen adĂ€quaten Eindruck vom Klangspektrum der Originalkomposition und der innovativen Behandlung der Film- Musik. Dabei gilt ODNA als eine „der suggestivsten Filmmusiken Schostakowitschs, sie reicht vom ‚schrĂ€gen‘ FrĂŒhstil ... bis zur extrem sparsam instrumentierten, nachdenklichen bis elegischen Beschreibung einer Landschaft, die in Wahrheit Seelenlandschaft ist – wie ĂŒberhaupt der ganze Film als ein erstes Experiment des sowjetischen Kinos gilt ...“ (Thomas RĂŒbenacker im CD-booklet der ersten Wieder-Einspielung von 1996) .

DarĂŒber hinaus ist der vorletzte sechste Akt des Films verschollen, das Musikmaterial hat sich jedoch zu zwei Dritteln als Blattmaterial erhalten.So eröffnet die nun vorliegende Rekonstruktion der gesamten Musik und deren Einspielung zum Film nach Jahren wieder einen authentischen Eindruck der kongenialen Leistung von Schostakowitsch und Kosinzew & Trauberg. Wie die vorbereitende Recherche ergeben hat, sind von den 44 Musik-StĂŒcken, die im Film auszumachen sind, 29 StĂŒcke im Gesamtwerk von Schostakowitsch erhalten, z.T. publiziert unter fremden Titeln oder umgearbeitet zu anderen StĂŒcken und Suiten. Die 15 fehlenden Nummern wurden nach Gehör von Mark Fitz-Gerald (und einige von Nic Raine) ergĂ€nzt, vorbereitet von dem hollĂ€ndischen Musikhistoriker Theodore van Houten und unter Supervision des polnischen Komponisten und Schostakowitsch-Biographen Krzysztof Meyer.

Das Fragment mit dem mongolischen ObertonsĂ€nger wurde vom Musikethnologen Mark van Tongeren geschrieben. Zugrunde lag eine historische Aufnahme, auf der Schostakowitsch einen Horneinsatz spielen liess. Wichtige StĂŒcke der Partitur fehlten am Schluss des Films, dem emotionalen Höhepunkt der Orchestermusik. Als Krzysztof Meyer sich die ĂŒberlieferte (unvollstĂ€ndige) Tonfassung des Films ansah, entdeckte er, dass dieses Fragment in Schostakowitschs Ballett „Der Klare Bach“ (op. 39) als OuvertĂŒre wieder verwendet worden war.

Die neue Einspielung, entstanden in Zusammenarbeit zwischen ZDF/ARTE, dem Schweizer Fernsehen und der niederlĂ€ndischen Stiftung ‚Film in Concert‘, fĂŒhrt die bisherigen Rekonstruktionsversuche von Film und Musik um entscheidende Schritte weiter und stellt die bislang vollstĂ€ndigste WiederauffĂŒhrung von Film und Musik dar (vgl die CD mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Mikhail Jurowski, sowie die erstmalige Restaurierung des Films in den 60iger Jahren im Staatlichen Russischen Filmarchiv Gosfilmofond).» (arte Presse)

Text?Pokhozhdenjia Oktjabrinj (Abenteuer eines Oktoberkindes, Die Abenteuer Oktjabrinas), Regie: Leonid Trauberg,UdSSR - Sowjet Union - 1924
Produktion: Sevzapkino - FEKS-Film - Regisseur: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Drehbuch: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Kamera: Ivan Frolov - Fridrikh Verigo-Darovskij - Architekt: B Tschajkowskij - Darsteller: D Fishov Passagier - N Bojartschikow Hausmeister - Pjatnitskij Flieger - Anton Tserep Reklame-Mann - Zinaida Tarakhovskaja Oktjabrina - Grigorij Rappoport MillionÀr - Valentin Parnakh - D Milovsorov - Sergeij Martinson Kulidsh Kersonobich Poincaré - V Lande - Jevgenij Kumejko NEP-Mann - Fjodor Knorre von der MOPR - J Kjakscht Pope -

Text?Shinel (Der Mantel), Regie: Grigorij Kozintsev,UdSSR - Sowjet Union - 1926
Produktion: FEKS-Film - Leningradkino - Verleih: Freunde der Deutschen Kinemathek : Deutschland - Regisseur: Leonid Trauberg - Grigorij Kozintsev - Drehbuch: Jurij Tinjanov - Nach einer Vorlage von: Nikolaj Gogol - Kamera: Andrej Nikolajevich Moskvin - Jevgenij Mikhailov - Darsteller: Andrej Kostrichkin Akaki Akakievich - Antonina Jeremejeva 'Himmlisches Geschöpf' - Sergej Gerasimov Jarizhka, Schwindler - Aleksej Kapler '(Un)Wichtige' Person - Boris Shpis - Pjotr Sobolevskij - Janina Zhejmo Schneidergehilfin - Oleg Zhakov -
Inhaltsangabe : Die komische Geschichte von einem Menschen, der im Leben zweimal verliebt war: in das MĂ€dchen vom Newski Prospekt und in den Mantel. - Eine Produktion aus dem KĂŒnstlerkollektiv FEKS (Fabrik des exzentischen Schauspielers), gegrĂŒndet 1922 in Leningrad.


Text?Skazka o pope i rabotnike ego Balde Regie: Mikhail Tsekhanovskij,UdSSR - Sowjet Union - 1940
Produktion: Sovkino Leningrad - Regisseur: Mikhail Tsekhanovskij - Drehbuch: Mikhail Tsekhanovskij - Musik: Dmitrij Shostakovich - Art Department: Ivan Druzhinin - Mikhail Tsekhanovskij -

Text?SVD - Sojus velikogo djela (S.W.D. - Der Bund der grossen Tat, Der Bund der Grossen Sache, Der Bund der gerechten Sache), Regie: Leonid Trauberg,UdSSR - Sowjet Union - 1927
Produktion: FEKS-Film - Sovkino Leningrad - Regisseur: Grigorij Kozintsev - Leonid Trauberg - Regieassistent: Boris Shpis - Drehbuch: Yuri Tynjanov - Yuri Oksman - Kamera: Andrej Nikolajevich Moskvin - Architekt: Jevgenij Jenej - Darsteller: Pjotr Sobolevskij Sukhanov - Sofija Magarill Vishnevskaya - Sergej Gerasimov Medoks - Konstantin Khokhlov General Vishnevsky - Andrej Kostrichkin Servant of Medoks - Ljudmila Somjonova - Nikolai Michurin - Oleg Zhakov Young soldier - Janina Zhejmo Circus actress - Mikhail Mishel General Weismar - Emil Gal Gambler - Aleksandr Melnikov (/xx/) -
Kritiken : «Im Aufstand der Dekabristenbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts sieht dieser russische Stummfilm bereits die Vorboten der grossen Sowjetrevolution knapp hundert Jahre spĂ€ter. Eingekleidet in expressionistischen Bildern, die sich durch die Montage wechselseitig kommentieren, verschmilzt eine tragische Liebesgeschichte mit dem propagandistischen Pathos eines Aufbegehrens. Dabei wird erneut deutlich, welch hohen Standard der russische Stummfilm auch heute noch erfĂŒllt.» (J.M.Thie, Filmjahr84)



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